Die Jahresfeste - urheidnische Feiern?
Gerade habe ich einen ganz interessanten Text gefunden von der relinfo.ch Seite.
Manche der Jahresfeste entsprechen christlichen Festterminen und nehmen deren Brauchtum auf, wobei Wicca-Vertreter glauben, dass es genau umgekehrt sei: Das Christentum habe ursprünglich heidnische Festtermine und deren Brauchtum übernommen. Diese Behauptungen halten aber einer Ueberprüfung nicht stand:
- Ostara: Bezeichnend sind die Vorgänge um die vermeintliche germanische Frühlingsgöttin Ostara und ihr Fest. Ostara beruht auf einem Missverständnis des englischen Kirchenvaters Beda Venerabilis, der aus Zeit- und Festbezeichnungen allerlei nichtexistierende heidnische Gottheiten gefolgert hat. Von Bedas spekulativen Gottheiten sind die meisten heute zu Recht vergessen, bloss Ostara erhielt höhere Weihen, weil der deutsche Sprachforscher Jacob Grimm die Theorie zur Erklärung der Etymologie des Wortes Ostern übernahm. Von da gelangte Ostara in manche germanistischen Werke und in das Standartrepertoire von Kreuzworträtseln. Es gibt aber keinerlei wie auch immer geartete Hinweise darauf, dass je eine Göttin Ostara verehrt worden wäre, kein Bild, kein Mythos, keine Inschrift, kein Zitat bei römischen Schriftstellern, nichts. Für die Erklärung des Wortes Ostern sind seither bessere Vorschläge gemacht worden, z.B. von einem germanischen Wort für "benetzen, taufen".
Dies ist denn auch die Art und Weise, wie zu Zeiten der Christianisierung Ostern gefeiert wurde: Als das grosse Tauffest. Hase und Eier sind hingegen erst seit dem 17. Jahrhundert belegt, also rund 1000 Jahre nach der Christianisierung. Das Christentum hat Ostern im germanischen Raum folglich während 1000 Jahren ohne Hasen und Eier gefeiert.
Viele Wicca-Vertreter behaupten nichts desto trotz, das Fest der heidnischen Göttin Ostara sei mit Hasen und Eiern begangen worden und das Christentum habe den Festbrauch übernommen. Manche gehen - offensichtlich auch von rudimentärstem religionsgeschichtlichem Wissen völlig unbelastet - noch weiter und behaupten, gar der Termin des Osterfestes sei vom Christentum den Heiden abgeguckt worden (wobei dieser, wie jeder aus dem Neuen Testament ersehen kann, schlicht auf dem jüdischen Passahfest beruht).
Wie man es auch dreht und wendet, die These kann nicht stimmen. Wenn es ein vorchristliches Fest mit Hasen und Eiern gegeben hätte (wobei der Brauch dann während 1000 Jahren nur in geographischen Kleinräumen überlebt haben könnte), dann wäre dieser Brauch vom Christentum nicht übernommen worden, sondern hätte erst im Rahmen zunehmender Säkularisierung der grossen christlichen Feste wieder aufgelebt. Wenn aber die Behauptung der Uebernahme heidnischen Brauchtums durch das Christentum stimmen sollte, dann müsste das germanische Frühlingsfest eine Art Tauffest gewesen sein, und das, was Wiccas heute an Ostara feiern, hätte mit dem ursprünglichen heidnischen Fest nichts zu tun. Falsch ist wohl beides. Weder übernahm das Christentum germanische Frühjahresbräuche, noch haben diese irgendwas mit heutigen Osterbräuchen, auch denen der Wicca-Bewegung, zu tun.
- Jul: Bezüglich Weihnachten präsentieren manche Wicca-Vertreter gerne eine ähnlich naive These: ursprünglich heidnisches Fest mit Baum am 25. Dezember, daraus abgeleitet christliches Fest mit Baum am 25. Dezember, daraus wiederhergestellt neuheidnisches Fest mit Baum am 25. Dezember.
Auch diese These ist von jeder Kenntnis der Geschichte des Weihnachtsbrauchtums gänzlich unbelastet. Der Termin ist zwar tatsächlich vorchristlich, aber keinesfalls keltisch oder germanisch, sondern dem Kult des Sol Invictus entnommen, einer monotheistisch verehrten nordwestsemitischen Gottheit. Der Baum hingegen hat ins Christentum erst sehr spät Eingang gefunden, im Petersdom steht ein solcher erst seit wenigen Jahrzehnten.
- Samhain / Halloween: Das Allerheiligen-Fest stellt das einzige Beispiel eines katholischen Festes dar, welches bewusst in einen fürs europäische Heidentum wichtigen Zeitraum gesetzt wurde. Das Fest als solches ergibt sich aus innerkatholischer Logik als Feier aller Heiligen, die kein eigenes Fest haben. Der Termin aber wurde in den Zeitraum heidnischer Totenfeste zum Winteranfang gelegt. So weit stimmt die Wicca-These in diesem Fall. Es gibt aber kein einheitliches vorchristliches Samhain-Fest, wie das die Wicca-Theorie behauptet, sondern eine Vielzahl von in der Gestaltung und im Termin recht unterschiedlichen Festen, die mit dem Themenkreis der im Winter hervortretenden Geister und deren Abwehr verbunden sind. Zudem haben alle diese Feste nicht viel mit dem zu tun, was die Wicca-Bewegung selbst an Samhain feiert. Obwohl die Wicca-Bewegung beansprucht, besonders treu heidnischer Tradition zu folgen, ist das amerikanische Volks-Halloween dem Sinn nach wohl der bessere Erbe heidnischer Winteranfangs-Feste als die aus der magisch-okkulten Tradition gewonnene Samhain-Feier der Wicca-Bewegung (historisch gesehen erweist sich auch das Halloween-Brauchtum im Einzelnen als jünger, als manchmal behauptet wird).
Der Geschichtsmythos der Wicca-Bewegung dient auch im Fall der Jahresfeste dazu, zu verschleiern, dass die Wicca-Bewegung eine ganz junge und synkretistische Religion ist. Um im westlichen Milieu erfolgreich zu sein, muss die Wicca-Bewegung aus den traditionellen, ursprünglich christlichen Festen das übernehmen, was allgemein beliebt ist. Da aber Anleihen aus dem Christentum resp. aus der westlich-säkularen Tradition der Vorstellung einer vorchristlichen Religion völlig zuwider laufen, müssen sie als ehemalige Uebernahmen des Christentums aus dem Heidentum dargestellt werden (auch dann, wenn die Bräuche nicht mal christlich, sondern säkular sind). Dass die meisten Wicca-VertreterInnen diese völlig unhistorischen Thesen bereitwilligst glauben, findet seinen Grund darin, dass die Selbstdefinition als urheidnisch und die moderne, gefällige Gestalt der Religion um jeden Preis verbunden bleiben müssen. Ein Verzicht auf den Geschichtsmythos würde bedeuten, entweder das eine oder das andere missen zu müssen.
Georg Otto Schmid, 2003
http://www.relinfo.ch/wicca/lehren.html
Manche der Jahresfeste entsprechen christlichen Festterminen und nehmen deren Brauchtum auf, wobei Wicca-Vertreter glauben, dass es genau umgekehrt sei: Das Christentum habe ursprünglich heidnische Festtermine und deren Brauchtum übernommen. Diese Behauptungen halten aber einer Ueberprüfung nicht stand:
- Ostara: Bezeichnend sind die Vorgänge um die vermeintliche germanische Frühlingsgöttin Ostara und ihr Fest. Ostara beruht auf einem Missverständnis des englischen Kirchenvaters Beda Venerabilis, der aus Zeit- und Festbezeichnungen allerlei nichtexistierende heidnische Gottheiten gefolgert hat. Von Bedas spekulativen Gottheiten sind die meisten heute zu Recht vergessen, bloss Ostara erhielt höhere Weihen, weil der deutsche Sprachforscher Jacob Grimm die Theorie zur Erklärung der Etymologie des Wortes Ostern übernahm. Von da gelangte Ostara in manche germanistischen Werke und in das Standartrepertoire von Kreuzworträtseln. Es gibt aber keinerlei wie auch immer geartete Hinweise darauf, dass je eine Göttin Ostara verehrt worden wäre, kein Bild, kein Mythos, keine Inschrift, kein Zitat bei römischen Schriftstellern, nichts. Für die Erklärung des Wortes Ostern sind seither bessere Vorschläge gemacht worden, z.B. von einem germanischen Wort für "benetzen, taufen".
Dies ist denn auch die Art und Weise, wie zu Zeiten der Christianisierung Ostern gefeiert wurde: Als das grosse Tauffest. Hase und Eier sind hingegen erst seit dem 17. Jahrhundert belegt, also rund 1000 Jahre nach der Christianisierung. Das Christentum hat Ostern im germanischen Raum folglich während 1000 Jahren ohne Hasen und Eier gefeiert.
Viele Wicca-Vertreter behaupten nichts desto trotz, das Fest der heidnischen Göttin Ostara sei mit Hasen und Eiern begangen worden und das Christentum habe den Festbrauch übernommen. Manche gehen - offensichtlich auch von rudimentärstem religionsgeschichtlichem Wissen völlig unbelastet - noch weiter und behaupten, gar der Termin des Osterfestes sei vom Christentum den Heiden abgeguckt worden (wobei dieser, wie jeder aus dem Neuen Testament ersehen kann, schlicht auf dem jüdischen Passahfest beruht).
Wie man es auch dreht und wendet, die These kann nicht stimmen. Wenn es ein vorchristliches Fest mit Hasen und Eiern gegeben hätte (wobei der Brauch dann während 1000 Jahren nur in geographischen Kleinräumen überlebt haben könnte), dann wäre dieser Brauch vom Christentum nicht übernommen worden, sondern hätte erst im Rahmen zunehmender Säkularisierung der grossen christlichen Feste wieder aufgelebt. Wenn aber die Behauptung der Uebernahme heidnischen Brauchtums durch das Christentum stimmen sollte, dann müsste das germanische Frühlingsfest eine Art Tauffest gewesen sein, und das, was Wiccas heute an Ostara feiern, hätte mit dem ursprünglichen heidnischen Fest nichts zu tun. Falsch ist wohl beides. Weder übernahm das Christentum germanische Frühjahresbräuche, noch haben diese irgendwas mit heutigen Osterbräuchen, auch denen der Wicca-Bewegung, zu tun.
- Jul: Bezüglich Weihnachten präsentieren manche Wicca-Vertreter gerne eine ähnlich naive These: ursprünglich heidnisches Fest mit Baum am 25. Dezember, daraus abgeleitet christliches Fest mit Baum am 25. Dezember, daraus wiederhergestellt neuheidnisches Fest mit Baum am 25. Dezember.
Auch diese These ist von jeder Kenntnis der Geschichte des Weihnachtsbrauchtums gänzlich unbelastet. Der Termin ist zwar tatsächlich vorchristlich, aber keinesfalls keltisch oder germanisch, sondern dem Kult des Sol Invictus entnommen, einer monotheistisch verehrten nordwestsemitischen Gottheit. Der Baum hingegen hat ins Christentum erst sehr spät Eingang gefunden, im Petersdom steht ein solcher erst seit wenigen Jahrzehnten.
- Samhain / Halloween: Das Allerheiligen-Fest stellt das einzige Beispiel eines katholischen Festes dar, welches bewusst in einen fürs europäische Heidentum wichtigen Zeitraum gesetzt wurde. Das Fest als solches ergibt sich aus innerkatholischer Logik als Feier aller Heiligen, die kein eigenes Fest haben. Der Termin aber wurde in den Zeitraum heidnischer Totenfeste zum Winteranfang gelegt. So weit stimmt die Wicca-These in diesem Fall. Es gibt aber kein einheitliches vorchristliches Samhain-Fest, wie das die Wicca-Theorie behauptet, sondern eine Vielzahl von in der Gestaltung und im Termin recht unterschiedlichen Festen, die mit dem Themenkreis der im Winter hervortretenden Geister und deren Abwehr verbunden sind. Zudem haben alle diese Feste nicht viel mit dem zu tun, was die Wicca-Bewegung selbst an Samhain feiert. Obwohl die Wicca-Bewegung beansprucht, besonders treu heidnischer Tradition zu folgen, ist das amerikanische Volks-Halloween dem Sinn nach wohl der bessere Erbe heidnischer Winteranfangs-Feste als die aus der magisch-okkulten Tradition gewonnene Samhain-Feier der Wicca-Bewegung (historisch gesehen erweist sich auch das Halloween-Brauchtum im Einzelnen als jünger, als manchmal behauptet wird).
Der Geschichtsmythos der Wicca-Bewegung dient auch im Fall der Jahresfeste dazu, zu verschleiern, dass die Wicca-Bewegung eine ganz junge und synkretistische Religion ist. Um im westlichen Milieu erfolgreich zu sein, muss die Wicca-Bewegung aus den traditionellen, ursprünglich christlichen Festen das übernehmen, was allgemein beliebt ist. Da aber Anleihen aus dem Christentum resp. aus der westlich-säkularen Tradition der Vorstellung einer vorchristlichen Religion völlig zuwider laufen, müssen sie als ehemalige Uebernahmen des Christentums aus dem Heidentum dargestellt werden (auch dann, wenn die Bräuche nicht mal christlich, sondern säkular sind). Dass die meisten Wicca-VertreterInnen diese völlig unhistorischen Thesen bereitwilligst glauben, findet seinen Grund darin, dass die Selbstdefinition als urheidnisch und die moderne, gefällige Gestalt der Religion um jeden Preis verbunden bleiben müssen. Ein Verzicht auf den Geschichtsmythos würde bedeuten, entweder das eine oder das andere missen zu müssen.
Georg Otto Schmid, 2003
http://www.relinfo.ch/wicca/lehren.html
Karmindra - 18. Feb, 17:03